14.10.2020 Ausstellung Wittelsbacher Gründungsstädte in Friedberg/Bayern

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Die Ausstellung wurde mir von Dr. Horst aus München empfohlen und um es vorweg zu nehmen: der Weg hat sich gelohnt! Aber der Reihe nach:

Viele Menschen, wenige Städte – die Zeit um das Jahr 1000
Um das Jahr 1000 waren Burgen, Klöster und Bischofssitze die wichtigsten Orte in Bayern. Es war eine gute Zeit, die Bauern hatte gute Ernten, die Menschen aus weit entfernten Orten handelten miteinander. Sie kauften und verkauften Waren. Immer mehr Menschen lebten und arbeiteten in Bayern. Aber es gab nur 6 Städte. Den Menschen in der Stadt gefiel das Leben dort.

In den Klöstern, Burgen, Märkten und den Bischofssistzen treffen sich die Gelehrten, die Mächtigen und die Kaufleute. Allmählich zeigen sich die Vorboten der „urbanen Revolution“ des Mittelalters. Um die Residenzen der Bischöfe herum entsteht urbanes Leben.
Die Grundlage für den Boom war überall dieselbe: der überregionale Handel war in Schwung gekommen, das Klima war günstig. Es war die Idee des städtischen Gemeinwesens, das immer mehr Anhänger fand.

Ein Bischofsstab. Man erkennt den Drachen am Anfang. Die Spirale ist der „rechte Weg“, der mündet in einem Einhorn. Ein Einhorn kann nur von einer Jungfrau gefangen werden. Das ist eine Allegorie auf die Jungfrau Maria.

Um das Jahr 1000 machten sich die ersten Zeichen einer wirtschaftlichen und sozialen Revolution bemerkbar. Europa profitierte vom sogenannten Klimaoptimum. Es sorgte auf der Nordhalbkugel für höhere Temperaturen. Zusammen mit technischen Neuerungen führte dies zu besseren Erträgen in der Landwirtschaft. Die demographische Kurve zeigte steil nach oben – es gab also immer mehr Menschen. Nicht mehr jeder wurde in der Landwirtschaft gebraucht. So konnte sich mancher auf ein Handwerk oder besondere Dienstleistungen spezialisieren. Auf Wochen- und Jahrmärkten wurden die Dinge des täglichen Bedarfs und Handwerkserzeugnisse angeboten. Dafür brauchte man mehr und kleineres Münzgeld. Es waren Bischöfe, die Silberpfennige prägen ließen und die Märkte mit frischem Geld versorgten.

Silberpfennige

Flandern und die Poebene waren die beiden am frühesten urganisierten Regionen in Europa – Handel und Handwerk standen dort schon um 1100 in hoher Blüte. Die Staufer bestimmten von 1156 bis 1180 die Politik nördlich der Alpen. Friedrich Barbarossa war Keiser und Heinrich der Löwe Herzog von Sachsen und Bayern. Barbarossa zog sechsmal nach Italien um die reichen italienischen Städte zu unterwerfen. Bürger hatten sich dort gegen die Stadtherren (die Bischöfe) verschworen. Sie gründeten Kommunen und nahmen Verwaltung und Rechtssprechung selbst in die Hand. Das war unerhört und stellte die feudale Ordnung des Reichs in Frage.
Otto von Wittelsbach ging mit Barbarossa, Heinrich der Löwe blieb in Sachsen und Bayern und gründete Städte in seinen Herzogtümern. Das führte zum Streit und Barbarossa übertrug 1180 Bayern an Otto von Wittelsbach.
Barbarossa gründete ebenso Städte in seinem Herzogtum Schwaben. Und bald taten es die Wittelbacher gleich.

Hier ein Wachstäfelchen mit Griffel. Die Fernhändler in Lübeck nutzten dieses Täfelchen um am Hafen schnelle Notizen zu machen. Mit der Oberseite des Griffels konnten die eingeritzten Notizen wieder geglättet werden.

Was schwebte den Herrschern bei der Stadtgründung vor – an welchen Vorbildern orientierte man sich?
Alle Herrschar hatten schon eine Vielzahl von Städten gesehen: die Bischofsstädte nördlich der Alpen, die italienischen Kommunen, die Lagunenstadt Venedig mit ihren Patrizieren und natürlich Rom. Barbarossa und Heinrich der Löwe zogen auf ihren Kreuzzügen durch die byzantinischen Städte, sie sahen Konstantinopel und Heinrich der Löwe sah sogar Jerusalem. Überall gab es Handel und Wandel und zunehmenden Reichtum. Aber aufrührerischen Kommunen gab es nur in Italien.

Eine mittelalterliche Baustelle, wie sie dem Künstler um das Jahr 1280 vor Augen stand
Zirkel aus einem römischen Keller bei Regensburg

Gründerstädte?

die Historiker des Mittelalters waren Mönche. In ihren Chroniken und Annalgen berichten sie über die große Politik, aber nur selten über so profane Dinge wie den Bau von Städten. Fast alles, was wir über die Anfänge der Gründerstädte wissen, verdanken wir archäologischen Grabungen. Sie bringen Pflastersteine, Mauerreste, Brückenpfeiler, Latrinen zu Tage.
Aus diesen Befunden kann man vieles erschließen: Wie nahmen die Gründerstädte Gestalt an? Folgte der Bau einem planmäßigen Grundriss? Wann wurden die Städte ummauert, wann um neue Stadtviertel erweitert?
Kaum eine der Gründerstädte wurde „auf der grünen Wiese“ gebaut – fast immer finden sich Spuren einer Vorgängersiedlung.

Das Buch von Bertrand Boysset (Provence), in dem er in ca. 180 kolorierten Tafeln die Arbeit des mittelalterlichen Stadtvermessers beschreibt. Hier wird die Vermessungskunst auf eine Stufe gestellt mit der Theologie und der Jurisprudenz, wobei angemerkt wird, dass die Vermessung den größten Scharfsinn erfordert.

Stadt bedeutet auch Recht und Ordnung: die neuen Städte versuchten sich als eigene Rechtsbezirke zu etablieren. Die Bürger schlossen sich zur Stadtgemeinde zusammen, führten ein eigenes siegel und gaben sich ein eigenes Recht. Mit Erlaubnis des Herzogs natürlich.
Das Zusammenleben auf engstem Raum mußte geregelt werden. Belustigungen wie Glücksspiel, Prostitution und Fluchen wurden geahndet. Liberal waren Bestimmungen für den Handel. Handwerker konnten ihre Produkte auf dem freien Markt anbieten.
Das Wichtigste aber: Wer ein Jahr und einen Tag in der Stadt wohnte, war frei. Das bedeutet, sein früherer Herr konnte ihn nicht mehr zurückholen. „Stadtluft macht frei“. Das waren Innovationen des europäischen Mittelalters. Der Rat war zuständig für Bausachen, Wasserversorgung, die Stadtfinanzen, die Steuern und die öffentliche Ordnung.
Die Ratsfamilien waren Nachkommen der Ministerialien, die sich schon in der Gründerzeit der Städte auf Verwaltung und Finanzen spezialisiert hatten.
Mit Einbruch der Nacht wurden die Tore geschlossen und der Lärm der Werkstätten verstummte. Der nächtliche Ausgang war streng reglementiert. Knechte durften gar nicht ausgehen, Frauen nur bis zum Haus der Nachbarin. Bedingung war das Mitführen einer Laterne.

Das Astrolab – Durchmesser ca. 30 cm. Hiermit konnte man Höhe, Breite und Tiefe von Objekten messen. Das Astrolab kam im späten 10. Jh. aus Arabien nach Europa. Vor allem zur Höhenbestimmung von Sternen gemacht, nutze an es auch für die Vermessung an Land. Auf der Rückseite sind die Zahlenverhältnisse (Tangens) eingetragen.
Im Bad. Blutegel werden angesetzt
Im Spital. Spitäler wurden gestiftet vom Herzog oder reichen Bürgern um gottegällig zu sein und zum Erlass der eigenen Sünden. Sie waren Krankenhaus und Altenheim. Wohlhabende Bürger leisteten sich eine Herrenpfründe um sich bis ans Lebensende dort versorgen zu lassen. Die Einnahmen überstiegen die Ausgaben – Spitäler wurden zu Banken, finanzierten Bauvorhaben, bewirtschafteten Wälder und Weingärten, Brauerein, Mühlen, Bäder.
Der Patient ist umringt von den Brüdern des Spitals. Im Pelz in der Mitte, der Rektor. Rechts im Umhang der akademisch gebildete Arzt. N.B.: Das Spital hatte in der Regel auch ein Frauenhaus…

Der Türmer

Türmerhorn – ca. 2 meter lang

Der Türmer war ein besonderer Beruf. Kirchturm war gleichzeitig Wachturm. Die Dienstpflichten umfaßten 1. Warung vor Fremden, 2. Strukturierung des Tages 3. Warnung vor Feuer 4. Gebührendes Verhalten gegenüber den Bürgern, 5. Gebührendes Verhalten im Alltag 6. Bitte durch Unterstützung durch Gott und die Heiligen

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